Es weihnachtet sehr

Es weihnachtet sehr. Die 3 grossen Supermarktketten ersticken in roten  Glaskugeln und grüner Plastiktanne, die Strassen Kapstadts sind beleuchtet als hätten sie Dunkelheit zu vertreiben und an den Strassenecken gibt es Rotes Kreuz Charity-Trees zu kaufen. Echte Kiefer. Frank Sinatra singt auch hier von White Christmas und die ersten blond-blauäugigen Barbie-Puppen wurden für die feierliche Übergabe bei der alljährlichen Weihnachtsfeier in den Firmen gekauft. Nicht von einer weissen Mittelstandmutter, sondern von meiner schwarzen Sangoma-Kollegin: „For my grandchild, she likes to comb hair. She ll get it from farther Christmas at the Christmas bazar“.
Vor den Kirchen in den Townships wird Stille Nacht gesungen. Still ist es nicht wirklich, billige Radioklänge mischen sich mit Kindergeschrei und aufheulenden Motoren rostiger Autos. Am heiligen Abend wird sich noch der von Brandy-Coke und Bier produzierte Lärmpegel fröhlicher Menschen dazugesellen. Oh Du fröhliche… . Es wundert mich, dass sich seit der Landung Jan van Riebeeks 1652 nicht wenigstens die Weihnachtsliedtexte geändert haben…

Ich schaue aus dem Fenster. Blauer Himmel, angenehme 25 Grad. Sommer in Kapstadt. Das Rot und Grün in den Supermärkten wirkt seltsam verunsichert. Die quitschpinken Baby-Puppen Packungen stehen beinah einsam in ein Regal gequetscht, direkt neben dem Angebots-Waschmittel. Quitschpink und astrein ins neue Jahr.

Ein Rückblick ist an dieser Stelle angebracht. Es hatte alles so astrein angefangen. Nach langer, mühsamer Suche habe ich endlich tatsächlich eine Stelle bekommen, die mir angemessen erschien. Zufall oder Schicksal, solche Fragen stellt man sich vorher und hinterher und kann sie doch nicht beantworten. Wäre ich nicht auf einer Konferenz gewesen, bei der ich meinen jetzigen Professor an der FU Berlin kennengelernt habe, ich hätte niemals…nun, damit möchte ich nicht weiter langweilen. Statt dessen…Südafrika. Ein Jahr. Ein Jahr lang der Versuch, ein Land zu verstehen, dass selbst Einheimische nicht verstehen. Südafrika, das ist Safari, das ist der Weltcup 2010, das ist der berühmte Tafelberg in Kapstadt, auf den ich  tagtäglich starre und der mich nachdenklich macht.
Damals, 1652, haben hier am Kap noch die die San oder die KhoeSan, kurz hier oft als die Bushmen bezeichnet,  gelebt. Bis, wir kennen diese Geschichte, wir Europäer auf die Idee kamen, dass es uns ein wenig eng wird im zu der Zeit recht unwirtlichen Europa, man bedenke die choleradurchseuchten Strassen Londons und die engen Gassen Amsterdams ohne Kanalisation und Müllabfuhr. Also, schnellstens rauf auf die Schiffe, ablegen und Land gewinnen, im wahrsten Sinne des Wortes. Währenddessen haben die nichts ahnenden San ihre Ziegen und Schafe durch die offene Landschaft des Kaps getrieben, haben hier und da eine Hütte gebaut, um dann weiterzuziehen, weniger um neues Land zu erobern, denn um die Tiere zu ernähren. Wenn ich mir die Kaplandschaft anschaue, kann ich mir vorstellen, dass sie eigentlich ganz glücklich gewesen sein müssen, auch ohne das Zutun und die kulturellen Güter, die unser Reißaus vom eigenen europäischen Kontinent mit sich gebracht haben; an ersten Stelle Waffen und die ersten kleine, aber feinen „Konzentrationslager“, in denen es sich die bis dahin frei ziehenden San dann gemütlich machen durften. Ich entschuldige mich für jeden Zynismus, aber die Situation muss etwas Zynisches gehabt haben. Freie Menschen werden ihrer Freiheit beraubt und als einziges Legitimation dafür gab es den Glauben und ein sehr einnehmendes, selbstüberzeugtes europäisches Wesen. Jene Lager haben sich später in elaborierter, hochpolitischer Form zu sogenannten Apartheid transformiert,  deren Nachwehen das Land noch immer in ständigen Beben erschüttern. Diese Kennzeichen sich nicht alleine durch  die Tatsache, dass nach wie vor eine klare Finanzlinie gezogen werden kann zwischen Weiss und Schwarz. Die Auswirkungen Jan van Riebeeks & Co und der nachfolgenden 350 Jahre sind auch jenseits von Schwarz und Weiss zu bemerken. In De Dorns, einem kleinen Dorf nahe der N1, direkt hinter den Bergen von Worcester bei Kapstadt, stehen zur Zeit ca. 10 grosse, weisse Zelte, mitten im Dorf. Kein lebendiger Weihnachtsmarkt, sondern ein Refugeecamp mit Einwanderern aus Simbabwe. Erst kürzlich war De Doorns in den Nachrichten, weil es xhenophobische Ausschreitungen gegen die Simbabwer gab. Und das nicht, weil alle Südafrikaner brutale Wilde sind, sondern weil diese Simbabwer für rund 40 Rand am Tag (nicht mal 4 Euro) in den Weinreben arbeiten, wohingegen farbige und schwarze Südafrikaner 60 Rand am Tag haben wollen (bei der Weinernte handelt es sich um Saisonarbeit, also um Arbeit für 6 Monate, also um Geld für ein Jahr, denn mehr Arbeit gibt es schlichtweg nicht). Kurzum: Die Simbabwer nehmen ihnen die eh schon äusserst knappen Arbeitsplätze weg. Es geht also um wenig anderes als um nackte Existenz. Ich habe in den letzten Wochen viel Unkraut aus Heilpflanzenreihen in einem sogenannten „economic development Projekt“ in De Doorns herausgezupft. Für die „economic development“ bekommen die Arbeiter dort 800 Rand/Monat von der Regierung Südafrikas. 80 Euro für 40 Stunden/Woche Unkraut zupfen. Wären Lebensmittel billig, es wäre ja alles noch nachvollziehbar, aber mit einer Steigerung von mehr als 10% innerhalb diesen Jahres kostet ein Toastbrot inzwischen fast mehr als bei uns und Milch ist auch nicht viel billiger. Für alle die, die auf der einen Seite der Finanzlinie stehen, kein Problem. Aber für die, die 800 Rand bekommen und davon 2 und mehr Kinder ernähren müssen, nicht unproblematisch.
Nachbeben waren auch zu spüren für meinen Mitbewohner Manie, der in Kapstadt Zentrum im sog. District 6 aufgewachsen ist, das war so etwas wie das Montmatre von Paris oder Sophiatown in Johannesburg, lebendiges Künstlerleben, Musiker und multikulturelles Leben; ausgelöscht per Regierungsbescheid. Die hauptsächlich farbigen Einwohner wurden umquartiert in die Cape Flats, das Gebiet vor Kapstadt, in das während der Apartheid alle Schwarzen und Farbigen ausquartiert wurden und das noch immer Gebiet der Township ist. Zuvor haben sie in schönen Häusern gelebt, und plötzlich fanden sie sich in 3-stöckigen Mietskasernen wieder. Ein verhältnismässig kleines Beben gegen die grossen Beben der Apartheid, aber wie sehr Spiegelbild dessen, wie mit Leben umgegangen wurde.

Aber ich war bei den San stehengeblieben, als sie noch glücklich ihre Tiere durch die lieblich-rauhe Landschaft des Kaps trieben, ahnungslos ob dessen, was da auf sie zukommt und wie sehr das ihr Leben verändern würde. Es gibt Nachfolger dieser San. Sie heissen heute Nama oder Khoe-Khoen, leben grösstenteils in Namibia oder Botswana (weil dahin vertrieben) und kämpfen dort und hier dafür, dass sie entweder ihr Land zurück bekommen, das ihnen vormals so rabiat entwendet wurde oder dass sie eine gerechte Abfindung bekommen für ihr Wissen, was sie bereitwillig hergegeben haben, z.B. um pharmazeutische Produkte herstellen zu können, zum Nutzen der (westlichen) Welt und zum Nachteil für sie, denn sie haben bislang NIE etwas gesehen, für all das, was sie gegeben haben. So könnte z.B. mein Mitbewohner Tamen, ein Nama aus Namibia, direkter Nachfolger der Khoe-San, den Grund und Boden des Hauses meiner weissen Vermieterin rechtmässig als seines erklären, so seine Landklage erfolgreich wäre. Wir Europäer haben damals keinen einzigen San gefragt, ob wir das dürfen, was wir da machen, weil wir wollten ja „die Wilden“ im Namen Gottes bekehren. Landeinnahme war dabei selbstverständlicher Teil des Bekehrungsprogramms. Tamen, mein Mitbewohner, muss heute eine NGO gründen und sich rechtlich absichern, bei jeden Schritt den er tut, um ein Land zurückzuerobern, dass ehemals seinen Vorvätern und -Müttern gehört hat. Meine Frage, was er denn mit dem Land rund um und in Kapstadt täte, so er es bekäme, konnte er allerdings (noch) nicht beantworten. Vielleicht geht es auch nur um symbolische Wiedergutmachung, um Zeichensetzung für ein Unrecht, dass sich tief eingegraben haben muss in das kulturelle Gedächtnis. Tamen zumindest leidet, ein Leiden, dass für mich als Europäerin nur schwer nachvollziehbar ist. Es gibt wenig, woran ich historisch zu leiden hätte…oder? Oder muss ich es anders formulieren? Ich sehe wenig Grund   unser „kulturelles Leiden“ anderen anzulasten. Nun, ich wundere mich….

Die San wurden aber nicht nur von uns Europäern vom eigenen Land vertrieben. Natürlich gab es auch innerhalb des Landes Bewegungen und Gebietsansprüche von verschiedensten Bevölkerungsgruppen. So ist Südafrika innerhalb der letzten 10.000 Jahre vielleicht zu einem der multikulturellsten Ländern der Welt geworden. Die San und die Europäer, die Inder, die als Arbeitskräfte ins Land geholt worden, die Malaii und Indonesier, die aus den holländischen Kolonien ans Kap geschifft wurden, zusammen mit den Bantustämmen, die sich langsam an der Küste und ins Landesinnere vorgearbeitet haben, die Sothos, die Zulu, die Xhosa, die Venda und die Himba, die Bemba und die Muslims nicht zu vergessen, die wohl größtenteils mit den Indern hierher gekommen sind. Und so sieht Kapstadt heute aus: neben den weissen, reichen Vierteln leben gerade mal 2 km weiter die Muslims mit ihren Hajids (Moscheen) und die Coloureds am Bo-Kap mit ihrer Kultur, die weder schwarz noch weiss ist und vielleicht deshalb besonders bedroht ist durch Identitätskrise und Drogenkonsum, und dann eben in den Townships die Schwarzen mit einer ganz eigenen, interessanten Mischung, die sowohl „Stille Nacht“  und „praise the Lord“ als auch rituellen „Trancedance“  und den vehementen Glauben an Hexerei integriert…

…apropos Trancedance und Hexerei…es ist ja nicht so, dass ich nur hier gesessen und mir die Geschichte Südafrikas verinnerlicht hätte… ich habe auch erlebt. Viel erlebt, Gutes wie weniger Gutes…an Zeremonien habe ich teilgenommen. Mit Tanz  und Huhn. Der Tanz, um Kontakt mit den Ahnen herzustellen, das Huhn, um die Ahnen zufrieden zu stellen, genauso wie der Brandy und der Gin und… ich habe es bislang nicht verstanden, das Zeremonielle, wahrscheinlich weil ich viel zu verkopft und rational  über diese Dinge nachdenke. Wir haben keine Zeremonien und Rituale in dem Sinne mehr. Wir haben andere, weniger konkreter oder weniger als zeremoniell deklarierte Zeremonien. Wie sehr lieben „wir“ (ich weiss, die Hälfte der Menschen die ich kenne, liebt es so gar nicht ;-)) es doch wenigstens einmal im Jahr über den Weihnachtsmarkt zu gehen, auch wenn wir ihn allzu abscheulich kommerziell finden….ABER, er bietet Dinge an, die irgendwann mal Teil unserer Kultur waren und die dort, auf dem Markt, in allzu teurer Form, eine Art Wiederbelebung versuchen. Sehnen wir uns nicht alle ein wenig nach…Ritualen…selbst die hartgesottenste  Rationalisten unter uns???? Ich frage mich und versuche, als eher hartgesottener Rationalistin, die Zeremonien des schwarzen Teils der südafrikanischen Bevölkerung zu verstehen, denn sie haben etwas Anziehendes und Abstossendes zugleich. Das gilt nicht nur fü die Zeremonien, sondern für die gesamte Denkweise….ich selber hatte einiges Pech in der Zeit hier, Unfälle, Diebstähle… Mir wurde Muthi (meist Pflanzen- und/oder Tierteilemischung) verschrieben von denen, die für Zeremonielles und Rituelles zuständig sind, den traditionellen Heilern. Muthi, um es als Tee zu trinken, um mich damit innerlich wie äusserlich zu reinigen, um es als Kette um den Hals zu tragen, um mein Auto von innen damit einzusprenkeln. Muthi, um mich vor Hexerei und dem Tokoleshe zu schützen. Der Tokoleshe ist ein kleiner Wicht, der geleitet durch die bösen Energie einer anderen Person sehr viel Schaden und Unheil anrichten kann. Er wird zu genau diesem Zweck gesendet, meistens Nachts. Er ist ein Teil des Glaubens an Hexerei. Gegen ihn habe ich Salze, Fette, Kräuter und eine Halskette bekommen. Ich habe es ausprobiert, habe die Kräuter artig getrunken, habe mich mit einer rotefettigen Flüssigkeit gereinigt und trage die wirklich schöne Halskette. Und seither ist nichts weiter passiert, nach einer Reihe von unangenehmen Dingen, die meine Energie und Konzentration völlig eingenommen haben.
Ich versuche, die Idee von Witchcraft zu verstehen, ohne mich wissenschaftlich darin zu vertiefen. Und das einzige, was ich denken kann ist, dass Witchcraft sozusagen eine ausformulierte und gelebete Variante der 8 Todsünden ist, unter anderem von Eifersucht und Neid. Die Energie dieser „no-go-attitudes“ kann auch bei uns verheerende Folge haben. Wir nennen es Mobbing, Stalking, oder auch Mord aus Eifersucht. In einem viel dichteren Netz aus sozialer Interaktion zwischen Personen, wie das im Kontext afrikanischer Dörfer und Familien gegeben ist, sind diese Gefühle beinah potenziert. Eifersucht kommt auf, wenn der Nachbar mehr Kühe hat, ein rostiges Autowrack vor der Haustür oder gar das Glück, von einem Entwicklungsprojekt ein Bewässerungssystem für die Plantage bekommen zu haben. Die Augen sind überall. Eine Sangoma-Frau in einem Township ausserhalb Kapstadts gestand: ich erzähle überhaupt nichts mehr, sie sind alle neidisch und das st gefährlich.
Es ist wirklich gefährlich, wenn man den Geschichten glauben schenken möchte, in denen Menschen vergiftet werden oder langsam an einer unerklärlichen Krankheit sterben. Und doch frage ich mich, ist Suggestion und das Verschicken von Energie tatsächlich so stark, dass es anderen Menschen echten Schaden zufügen kann?
Ganz ohne Waffen oder Gewalt anzuwenden? Ein beängstigender Gedanke. Und ist die Idee, dass alleine durch die Kraft negativer Gedanken und Wünsche Unheil angerichtet werden kann, bei uns abhanden gekommen? Würden wir ein schlechtes Jahr oder eine Pechsträhne jemals durch die Kraft einer anderen Person  erklären? Ich mag diese Denkspiele und nehme weiter „meine Medizin“ solange ich auf afrikanischem Boden unterwegs bin, schaden kann es ja hoffentlich nicht.

Und wer mich jetzt wieder fragt, was ich denn überhaupt hier arbeite, dem oder der kann ich nur antworten: das alles ist irgendwie Teil der Arbeit. Ich untersuche die Diskrepanzen zwischen dem, was aus Heipflanzen in Laboratorien gemacht wird und dem, was mit Heilpflanzen in der afrikanischen Realität gemacht wird. Letzteres habe ich erzählt, und damit habe ich nur einen kleinen und vielleicht den exotischsten Teil dessen erzählt, was für mein westliches Auge sichtbar ist. Wenn ich nach einem Glas Wein zuviel eine Milk Thistle Tablette nehme, um meine Leber zu entlasten oder wenn ich nach all dem, was mir passiert ist, eine Scilitium Pille schluckte, als Stimmungsaufheller, dann frage ich mich, als was Milk Thistle wohl im lokalen Kontext benutzt wurde (und die Antwort ist schon klar: es ist keine Pflanze aus Afrika, sondern aus Lateinamerika, und dort wurde sie eventuell zu einem ganz anderen Zweck benutz las sie hier benutzt wird: als Katerverninderungsmittel). Nun und Scilitium wiederum…ist zum Heilpflanzenmarktführer in Sachen Antidepressiva geworden und hat vornehmlich einen Mann und eine Firma reich gemacht, beide, quod errat expectatum: weiss.
Vielleicht haben schon die San an Depressionen gelitten, wen würde es wundern. Spätestens nach Einwanderung der Europäer müsste Scelitium zum Verkaufsschlager geworden sein, aber Tatsache ist, dass natürlich kein San oder wer auch immer Urhebern der Idee ist, dass Scilitium gut gegen Depressionen sein könnte, jemals irgendetwas für die clevere Idee bekommen hätte. Wenn man bedenkt, dass  bei uns ein Copyright an einer bestimmten Currywurst reiche machen kann….
Nun damit beschäftige ich mich, seit ich hier bin und wie stets ist das ein Thema zum graue Harre kriegen. Denn das Resultat ist, wie könnte es anders sein in unserer kapitalistischen Welt: Money, Money, Money…wenn der Rubel nicht rollt, rollt auch sonst nichts. In dem Labor, in dem ich „Feldforschung“ betreibe, wird fieberhaft nach DER chemischen Verbindung gesucht, die…die Welt retten könnte gegen Krebs, Aids, Malaria oder Diabetes (ein immer grösseres Problem auch in Afrika, weil Zucker Hauptbestandteil der Nahrung geworden ist)…also nach der Verbindung, die das meiste Geld und den meisten Ruhm einbringen kann. Schon längst orientiert sich das Labor weg von HIV/Aids, hin zu chronischen Krankheiten, Krankheiten, gegen die selbst der hochtechnisierte Westen noch kein Mittel gefunden hat. Würde es tatsächlich gelingen, ein natürliches Mittel gegen Krebs zu finden- es gibt z.B. die Rinde eines afrikanischen Baums, die einen Wirkstoff enthält, der Krebszellen die Energiezufuhr abschneidet- dann wäre aber damit noch lange nicht „Afrika“ geholfen. Das Patent dieses Mittel ginge an die forschende Institution oder in den meisten Fällen, an einen grossen Pharmakonzern. Es müssen Wege gefunden werden, die diese „Unausgewogenheit“ unterbinden, z.B. durch ein  Gewinnausgleichsystem. Das wirft Fragen auf: Wer? Wieviel? Was? Wofür? Wann?
Und mit all diesen Fragen beschäftige ich mich bis mir der Kopf raucht. Für Südafrika gibt es bislang noch keine Lösung, weil es weder belegbare Beweise für Wissen gibt (Afrika hat kaum eine schriftliche Kultur aufzuweisen. Alles wurde mündlich weitergegeben; in einer papierwütigen nach Beweisen schreienden Welt kein leichter Stand) noch klar ist, wer am Ende Urheber dieses Wissens ist in einem so komplexen, multikulturellen Land.

Ich glaube, nach einem Jahr mit diesem Thema, dass die Natur beinah alles zu bieten hat, was wir Menschen bräuchten. Alleine Südafrika ist eine unentdeckte Schatzkiste in Sachen medizinische Pflanzen und nutzbringende chemische Verbindungen. Ich glaube auch, das Afrika wesentlich klüger ist, als wir es alle je vermuten würden. Viel der Heilungsmethoden basieren auf simplen jahrhundertealten Beobachtungen der menschlichen Psyche, des menschlichen Körpers und der zwischenmenschlichen Interaktion. Für uns fremd und exotisch und bisweilen etwas „wild erscheinend“, habe ich mehr und mehr das Gefühl, als hätten „sie“ „uns“ viel besser verstanden, als wir mit all unserer wissenschaftlichen Durchdachtheit. Aber ist Intuition Wissen? Ist das über Jahrhunderte gesammelte Wissen über den Menschen, verankert in einem nicht verschriftlichen, kulturellen Gedächtnis relevant, wenn es um das Verständnis des Menschens geht?  Und ist die Grunderkrankung unserer Gesellschaft nicht schlechtweg die, dass wir unser kulturelles Gedächtnis der Rationalität überlassen haben? Ich habe Patienten bei einem Heiler gesehen, über eine Woche haben die Patienten bei diesem Heiler gewohnt, haben an der Herstellung ihrer Medizin teilgenommen, haben diskutiert und interagiert und teilgenommen am täglichen Leben des Heilers. Der eine der beiden Patienten sah aus am Ende der Woche aus als hätte er es geschafft, als würde er genesen. Der andere, so vermute ich, hatte HIV/Aids. Ihm kann selbst die Interaktion mit einem Heiler nicht helfen, ihm können in der Tat nur noch westliche Medikamente helfen, die sogenannten Antiretrovirals (ARVs).
Was bleibt da anders zu sagen, als dass wir voneinander lernen können und zusammenarbeiten müssen. Nicht unbedingt die innovativste Weihnachtsbotschaft. Aber…Macht und Geld sind doch auch kleine oder besser grosse Hexereien, die viel Schaden zufügen können…ungeahnte negative Energien, die beinah alles auf dieser Erde leiten. Also, warum nicht in Afrika schauen, wie  es funktioniert und wie dagegen handeln. Ein bisschen Muthi für die Welt wäre doch ne schicke Sache. Seufz, wenn es doch so einfach wäre….
Nun, Afrika ist mehr als nur ein von Krankheit und Krieg durchzogener Kontinent. Von Asien wissen wir das ja schon, aber langsam wird es Zeit für Afrika, auch wenn Afrika im Grunde sich selber genug ist. Afrika hat sich in den letzten Jahrhunderten nur an der Oberfläche kolonialisieren lassen und so wird es sich auch in Zukunft nicht kolonialisieren lassen. Es macht ein paar Turnübungen, um Willen durchscheinen zu lassen, aber ganz tief unten, in the heart of Darkness (im Sinne von schwarzer oder dunkler Haut, nicht im Sinne Joseph Conrads) macht Afrika was es will, seit Jahrhunderten. Dabei macht es sehr kluge genauso wie sehr unverständliche Dinge. Ich denke, besonders für die klugen Dinge sollte „Afrika“ nach Jahrhunderten der Ausbeutung, endlich den ausstehenden Ausgleich und Respekt erhalten. Die Idee, dass mein Mitbewohner das Haus meiner Vermieterin besetzt und als seine deklariert, wäre im Grunde eine logische Konsequenz. Schliesslich besitzt sie das Land seiner Ahnen. So funktioniert es jedoch  leider oder zum Glück heute nicht mehr.

Soweit erstmal. Ich gestehe, mich zieht Afrika magisch an. Es hat Anziehendes und Abstossendes zugleich und besonders das Abstossende fasziniert mich. Sonst würde ich wahrscheinlich nicht immer wieder kommen, obwohl dieser Kontinent mir schon persönlichen Schaden zugefügt hat. Wie meinte ein Amerikaner kürzlich, der Grund für sein Leben in Afrika sei: Addicted to chaos.

Das muss es sein. Ich bin süchtig nach Chaos und dem Spirit of Africa.

In diesem Sinne….

Euch allen eine geistreiche, schöne, friedliche Weihnachtzeit!!!
Und einen guten Übergang ins Jahr 2010.
Aus der Mothertown of Africa alles Gute und auf bald dann wieder im Land der Qualität, der Effizient und des Wunsches nach Ordnung (hier ständig gehörte Stereotypes über Deutschland), was nach so viel feurigem Spirit etwas sehr Beruhigendes haben kann!