In Spirit

Der enge Raum wirkt noch enger durch den aufsteigenden Rauch Imphepos, das würzig riechende Kraut, das für die Kommunikation mit den Ahnen verbrannt wird. Rauchschwaden ziehen über die kleine Holzbank hinweg, auf die ich mich setzen durfte. Der würzig-intensive Rauch treibt mir Tränen in die Augen, verschwommen sehe ich, dass nicht nur ich, sondern auch die beiden Hühner im Raum angekommen sind. Sie kauern halb phlegmatisch, halb voller nervöser Aufregung in der einzig scheinbar unsichtbaren Ecke im Raum, direkt unter der Plastiktischdecke, die die Koffer auf dem kleinen Regal verschwinden lassen sollen. Hier, in diesen 10qm, ist Leben präzise geplant. Ich sehe den Brandy neben einem KImphepho & Brandy, unzertrennlicherzenständer stehen, und ich sehe eine rote Plastikschüssel. Der Wasserkocher rauscht im Hintergrund.

In Lwandle

Reihenhaussiedlung in LwandleDrei HeilerinnenDen Brandy in der Tasche mache ich mich auf zum nächsten Treffen mit den Damen in Lwandle. Es ist ein regnerischer Wintertag. Beinahe unangenehm, obwohl es selten richtig kalt wird in den Niederungen des Kaps. Heute aber ist Schnee zu sehen auf den Bergen im Hintergrund.

Beauty wartet schon auf mich. Kurz werde ich im Gemeindehaus herumgeführt, man grüsst mich halb beteiligt, halb neugierig. Obwohl beim letzten Treffen von 12 Heilern und Heilerinnen die Rede war, treffe ich heute nur die 4 an, die auch beim letzten Mal zugegen waren. Die 4 Wichtigen, wie Beauty sie nennt. Schnell wird mir klar, dass es heute nicht zu den abgesprochenen Englischstunden kommen wird (wozu wäre auch beim Englisch Unterricht ein Huhn und eine Flasche Brandy notwendig?) , auch nicht zu den Interviews, wegen der ich eigentlich nach Lwandle gekommen war. Bevor Interview-Worte gesprochen werden können, muss erst der formale Verhandlungsweg eingeschlagen werden. Obwohl ich den „formellen afrikanischen“ Verhandlungsweg nicht genau kenne, ahne ich, dass es ein langer Weg sein wird.

Statt der 12 Heiler und Heilerinnen erwarten mich die 4, die schon beim ersten Treffen in Genusss eines Woolworth-Brathuhns gekommen sind. Da ich nun offenbar nicht zur Englisch-Lehrerin werde, warte ich gespannt auf den Fortgang des Treffens, voller Hingabe, für Afrika, für die Forschung und für das Huhn, vom dem ich noch immer nicht weiss, wann es in mein Leben treten  und welche Rolle es dort spielen wird. Beauty, in ihrem organisatorischen Element, klärt mich recht schnell auf über den Fortgang des Tages. „You know, we have to organize the day“. Ich nicke ergeben, kommt doch so ein planerisches Element meinem deutschen Wesen sehr entgegen. „We need  to dance a bit“. Wie jetzt, tanzen? Hier, in der Gemeindebücherei? Als könnte sie meine Fragen im Kopf lesen, folgt die prompte Antwort. „We first must go and buy the chicken. Do you have the Brandy? Tanzen, Huhn, Brandy??? Ich nicke erneut, zeige stolz meine KWV Brandy Flasche und spüre intuitiv, dass mit diesem Brandy irgendwas nicht stimmt. Der misbilligende Blick Beautys war kurz, aber intensiv. „Next time you bring Old Buck Brandy“. Hatte ich nicht schon am Brandy-Regal das Gefühl realer Verunsicherung? Old Buck, Klipdrift, KWV, Black Horse…in einem Land, in dem Brandy wie Vodka in Russland getrunken wird, kann man bei der Auswagl des richtigen schon ins Straucheln kommen.

Innerlich seufzend folge ich den weiteren Anweisungen Beautys. Zunächst steigen alle 5 nicht ganz schmalen Heilerinnen samt mir in meinem kleinen Citi Golf. 4 der Damen lade ich in einer Art Reihenhaussiedlung ab. Die 5. deligiert mich weiter durch die Strassen Lwandles, wo wir ein paar Blocks und Hütten weiter einen alten weissen Lieferwagen einholen. Auf diesem klapprigen Gefährt sitzen hunderte weissgefiederter, zerrupfter, halbkahler Hühner in engen Käfigen. Die Verhandlungen um das Huhn laufen zielsicher und professionell ab. Mit geschultem Blick sucht die mich begleitende Heilerin 2 (wieso plötzlich 2?) der am wenigsten zerrupft wirkenden Hühner aus. An den Beinen aus der Hühner-Box gezogen landen sie schnurstracks in meinem Kofferraum. 2 Hühner für nicht mal 7 Euro. Bestückt mit den beiden befreiten Opfern fahren die Heilerin und ich zurück in die Reihenhaussiedlung.

Dort angekommen merke ich, dass sich die Art des Wohnens nicht wesentlich von den gerade hinter uns gelassenen Hühnerboxen unterscheidet. Die Reihenhaussieldung besteht aus einer Aneinanderreihung  von ca. 10 qm kleinen Räume, in denen sich alles befindet, was zum Leben benötigt wird.  Ein Bett, ein Sessel für Gäste, ein Mikrowellenherd samt zwei Herdplatten, ein Wasserkocher, eine Hifi-Anlage und Waschutensilien auf dem Fensterbrett. Wo gnau sich die Toiletten befinden, habe ich nicht herausfinden können. Fest steht nur, dass in diesen Räumen ganze Familien leben.

Jetzt und hier dient der kleine Raum als Treffpunkt für die 5 Heilerinnen und mich. Schon bald bekomme ich die Bedeutung eines Treffens mit Heilerinnen zu spüren…..(Ff)