On being a tourist in South Africa

Das touristsiche Auge guckt anders als das Auge, das an einem Ort lebt. Waehrend mir das Brandenburger Tor in Berlin hauptsaechlich als Durchfahrtstor zum Tiergarten dient, dient es Millionen Touristen im Jahr als photographischer Beweis fuer ihren Aufenthalt in der Haupstadt.So aehnlich erging es mir kuerzlich, als ich mich auf touristischen Pfaden (d.h. per Auto) durch die Savannen-Landschaft des Kruger-National-Park begeben habe, zum „big-5-watching“. Ja, ich habe sie gesehen, die big 5, nun ich gestehe, ich habe nur 4 der 5 gesehen, aber da das Gesehene einen Postkarteneindruck in mir hinterlassen hat, habe ich sie alle gesehen: Rhino, Elefant, Buffulo, Lion and Leopard (letzteren nur auf Postkartenformat).

Es sind die 5 Tiere, die bei der Jagd fuer den Menschen am gefaehrlichsten werden koenne, weil sie dem Mensch nachstellen, so sie gestoert oder gar verwundet wurden. Vor langer Zeit (bis ca. 400 aC) haben sie hier gelebt, zusammen mit den San, in relativer Eintracht zwischen Natur, Tier und ein bisschen Mensch. Dann wurde das Gebiet zunaechst von Bantu Staemmen aus dem Norden Afrikas und spaeter von den vom Kap heraufziehenden Buren bevoelkert, und bejagt. 1898 hat Paul Kruger, der damalige Praesident der Region Transvaal (die sich ca. von Johannesburg bis zum Kruger Park erstreckt), den Park gegruendet, zum Schutz der Wildnis, die zu deisem Zeitpunkt schon fast ausgerottet war. Seither sind die Tier eingezaeunt, zwar in einem sehr grossen Gebiet, aber doch daran gehindert, ihre eigenen, inskrebierten Wege zu gehen. Besonders mit der Gruendung der Nationalgrenzen zwischen Suedafrika, Mosambique und Zimbabwe, und der damit einherrgehenden Einzaeunung,  kamen die Tiere ins Straucheln und gerieten zu Tausenden in die Falle der Zaeune, die ihnen ihre natuerlichen Wander- und Revierwege versperrten. Gerade Elefanten haben ein so enormes Gedaechtnis, dass sie eine unendlich grosse Wanderlandkarte im Kopf haben, der sie ueber Generationen hinweg folgen. Bis die Zaeune kamen. Inzwischen haben die jeweiligen Laender reagiert und der Great Limpopo Transfrontierpark ermoeglicht es den Tieren, ihre alte Zugrichtung von Ost nach West wieder aufzunehmen.

So betritt man den Park durch eines der gut abgesicherten Einfahrtstore, wird auf moegliche Waffen hin durchsucht (gerade letzte Woche wurden wieder 10 Rhinos fuer ihre wertvollen Hoerner von Wilderern getoetet) und darf fuer 140 Rand eintreten ins Land der Tiere, die es nur noch eingezaeunt gibt. Ich bin nicht gegen National Parks, sie sind besser als Zoos und die einzig sinnvolle Art und Weise der Arterhaltung, aber sie sind eben auch ein Wahrzeichen dess, was der Mensch binnen kuerzester Zeit mit der Natur gemacht hat. Gleichzeitig tritt man auch ins Land des Tourismus ein. Grosse 4 x Rad Antriebe wechseln sich mit kleinen Billigmietwagen ab, um die Tiere aus dem Wageninneren bewundern zu koennen. WIr hatten Glueck, die Autoschlangen an den geruhsam unter Baeumen (Loewen) oder an liegenden oder an Baumen knabbernden Tieren (Giraffen) waren nicht ganz so lang.Ich habe sie auch gemacht, die obligatorsichen „ich habe es gesehen Photos“, aber irgendwas in mir war seltsam wenig beruehrt. Die Distanz der Wagenwand in Kombination mit der erweiterten Distanz der Kamera liessen mir die Tiere postkartengleich erscheinen. Auch deren Desinteresse an den stoerend-stinkenden Autokolonnen hat mich irritiert. Zunaechst. Je mehr sich die Autos zerstreut haben im unendlichen grossen Gebiet des Parks, desto eher kam ein Gefuehl von „Afrika“ auf. Die Savanne mit ihren dornigen Gewachsen, in der Ferne ein paar Elephanten, die sich in der Wasserkule bespritzen, eine Giraffe, die mit langen Wimpern durch das Sommergruen der Arkazien blinzelt, eine Horde  Zebras, Impalas und Kudus, die gerne zusammen gemeinsam gehen und stehen, und mit dem vorbeiziehenden Tag das sanfter werdende Licht des Abends. Das ist Afrika, dieses Afrika, da einen nie wieder verlesst, das sich eingraebt in das emotionale Gedaechtnis wie etwas laengst Vergessenes, wie eine Sehnsucht nach etwas, dessen Namen man nicht kennt. Der Wunsch im Einklang mit der Natur zu leben, sich den Gefahren des Busches auszusetzen, die dort, vom Wageninneren unbemerkt, unter jedem Stein oder in den sommerlich gruenen Graesern hausen. Schlangen Skorpione, Spinnen, die weniger aufsehenerregenden Gefahren des Buschs. Der Gedanke an all die kleinen und grossen fuer den Mensch toedlich ausgehenden Tiere wirft mich zurueck in eine Art Urzustand des Menschseins, als wir noch nicht die Wagentuer und Zaeune zwischen Mensch und Natur gestellt haben, als es noch ums reine Leben und Ueberleben ging. Ich frage mch, ob diese wilde, und doch friedlich wirkende Landschaft solche Geanken und Phantasien aufwirft, das Sehnen nach einer laengst vergangenen authentischen Welt, der wir uns laengst entzogen haben in unseren hochtechnisierten, sicherheitsorientierten 4 Waenden in der Heimat.

Die Phanatasie wird durch die vorbeirauschenden Bilder gefuettert, aber dennoch weiss ich nicht, wie sich Elefantenhaut anfuehlt, oder die Konsistenz des so begehrten Nashornhorns, oder, zum Glueck, der Biss einer hochgiftigen Green Mamba, vor der sich alle Einheimischen fuerchten, und die sich vorzugsweise gerne im Unterholz oder aber auch gerne in den Mangobaeumen der Vorgaerten aufhaelt. Auch die sengende Hitze bleibt im Airconditioned Auto aussen vor. Afrika als „Bilder einer Austellung“. Und doch bleibt etwas zurueck. Ein Gefuehl, wohl von kaum jemand besser beschrieben als von Tania Blixen in „Jenseits von Afrika“. (to be continued)

Mulungu in Thulamahashe

Mulungu, Mulungu, ruft es an allen Ecken, aus allen Hauseingaengen, wo auch immer ich vorbeikomme, ich bin Mulungu, die Weisse (Mulungu ist ein Wort aus dem Zulu und bedeutet soviel wie „der weisse Schaum auf Wellen“). Ich bin die einzige Weisse in Thulamahashe. Thulamahashe ist nicht unbedingt klein, aber auch nicht unbedingt gross. Die Stadt im Lowveld kurz vor den Toren zum beruehmten Kruger National Park ist eine jener Suedafrikanischen Staedte, die sich waehrend der Homelandbildung in der Apartheid gebildet haeben. Sie ist gepreagt von einem „Zentrum“, mit einer Tankstelle, einem Supermarkt, ein paar Billigkleidergeschaeften, und Filialen der 4 grossen Banken des Landes. Nicht zu vergessen der Minitaxistand, das Zentrum reger Geschaeftigkeit, ein Kommen und Gehen, ein Verkaufen von Obst, Gemuese, Zigaretten und hier, scheinbar besonders beliebt, Stahlwolle zum Reinigen der schweren Gusseisernen Toepfe, in denen das Hauptnahungsmittel des schwarzen Suedafrikas gekocht wird: Papp, klebriger Maisbrei ohne echten Geschmack.

Waehrend sich im Eastern Cape, wo ich 2009 zur Forschung unterwegs war, gerne ein paar Aussteiger-Weisse tummeln, tummeln sich hier oben im Norden an der Grenze zu Mosambique tatsaechlich gar kein Weissen. Der Letzte soll eine Orangenplantage ausserhalb der Stadt im Dorf Hluvukani besessen haben, man spricht noch ueber ihn. Wo er aber geblieben ist, weiss niemand, nur dass die Orangenbaeume den Kochfeuern zum Opfer gefallen sind, das wissen sie. Mich erstaunt diese Weissenlosigkeit nur insofern, als dass sich gerade mal 40 km weiter rund um Hoedspruit ein Eldorado an Mango und Grapefruitplantagen befindet, die vorrangig von Buren (afrikaans sprechende, weissen Farmern) betrieben werden. Bis Hoedspruit haben sich die Weissen damals vorgewagt, danach wurden ihnen das malariadurchseuchte Land zu brenzlig. So zieht sich mitten durch die Provinzen Limpopo und Mpumalanga eine Art Racial line, die sich u.a. in der Landbesitzfrage aeussert. Dort in Hoerdspruit gehoert das Land den Farmern, hier in der Gegend um Thulamahashe, das zur Bushbuckridge Municipality zaehlt, gehoert es den lokalen Chiefs, oder den privtaen Game Reserve Besitzern. Immerhin, inzwischen duerfen sogar die Einwohner hier ihr eignes Land besitzen. Ein Fortschritt.

Aber zurueck zu mir, der Mulungu. Gaebe es nicht schon so viele Selbstfindungsromane von jenen Europaern, die sich aufgemacht haben unter den „Indigenen“ zu leben (was ja scheinbar unwiderruflich das Leben veraendert, so hat man das Gefuehl), so wuerde ich so einen vielleicht schreiben…wenn mir hier nicht am Ende doch alles furchtbar normal vorkaeme. Auch wenn ich das Weiss sein so hervorhebe, so scheint mir dieser schwarze Teil Suedafrikas der schwarz-weisseste Teil, den ich bisher kennengelernt habe. Ich wohne in einem normalen Haus, zwar ohne fliessendes Wasser, aber dafuer mit Fernseher, Kuehlschrank, zwei Elektroherden, Couch und Wohnzimmertisch. Und meinen Mitbewohnern Fikile und Vusi. Alles ist relativ simpel und die Kakerlaken in der eher muffigen Kueche und die Rattentatzen in der Fettpfanne zeigen doch Spuren von „Andersartigkeit“, auch die Simpliziteat der Essgewohnheit (Papp, Fleisch, wenig Gemuese, wenig Obst, viel Toast, Chips und Bier) und die nicht vorhandene Dusche lassen darauf schliessen, dass ich mich nicht in einem deutschen Mittelstandshaushalt befinde, und doch kommt mir hier alles seltsam vertraut vor. Ja, ich bin Weiss, zumindest meine Haut und nein, ich verstehe kein Tsonga (auch Shangaan genannt), und doch fliesse ich im Alltag mit als waere es schon immer so gewesen. Ich werde sehr gelassen auf- oder hingenommen. Nun, ich kenne die Subtexte nicht, aber der Text, den ich verstehe, ist sehr umsorgend und aufnehmend. Kein permanentes Fragen nach Geld, keine Abwehr gegen eine Weisse. Im Vergleich zu meinen vorherigen Erfahrungen 2009 ist es fast wie „being at home“. Ich bin noch dabei zu verstehen, warum das so ist. Was ist hier anders als dort? Meine Einstellung oder die Einstellung der Menschen?  Die gesamte Gegend hier ist gepraegt von den Shangaan, den Sothos, den Swazi und Immigranten aus Mosambique, die waehrend des Buegerkriegs in den 60er Jahren hierher umgesiedelt sind. Liegt die Stimmung hier an deren Einfluss? Mosambique war nicht von der Apartheid betroffen.

Grundsaetzlich sagen die Leute, gaebe es hier wenig(er) Kriminalitaet. Und in der Tat, ich schlafe mit offenen Fenstern ohne Gitter und lasse ab und an die Autotuer auf, in Kapstadt waere das nahezu unmoeglich. Nachts hoere ich Grillen, bellende Hunde und das Trommeln der traditionellen Heiler n der Nachbarschaft. Ein Heilerschueler (twasa) dort kann nicht reden und ist hier, um geheilt zu werden. Ein kleiner schuechterner Man aus Swasiland. Wie er den Weg hierher gefunden hat, wissen nur die Ahnen.

Das Haus, in dem ich ohne, hier im Township von Thulamahashe, gehoert Robert Sebuyi (Sebuyi = Frieden), meinem hm, Gastvater, Forschungsassistent, traditionellen Heiler und einzigem fliessend Englisch sprechenden Begleiter. Meistens fahren wir entweder zu Heilern, interviewen sie so weit es geht, oder ich versuche die lokalen Familenkonstellationen zu verstehen. Robert hat eine Familie, die groesser ist als ein kleines gallisches Dorf. Sein Grossvater hat 11, sein Vater 7, er selber hat 6 Kinder (jeweils mit mehr als einer Frau). Nebenbei scheint noch jeder auf der Strasse ein Cousin zu sein.Vielleicht werde ich deshalb staendig nach meinem Nachnamen gefragt, und stosse dabei oft auf einen etwas verstaendislosen Blick oder auf Gelaechter. Rutert? Wer ist denn das? Ob das anders waere wenn ich Schmidt hiesse? Und was waere wenn ich Dlamini hiesse, ein sehr haeufiger Nachname im Eastern Cape. Nein, ich bin nicht verheiratet (wieder verstaendnislose Blicke) und habe auch keine Kinder( das Verstaendislose sucht nach Verstehen…und akzeptiert). Es gibt sie hier auch, die Kinderlosen. Kuerzlich stellte mich Robert einer sehr erfolgreichen Geschaeftsfrau vor, kinderlos und unverheiratet- sonst waere sie wahrscheinlich weniger erfolgreich- schaute uns an und meinte: „Maybe you two can marry.“ Es war Spass, aber er ist Heiler und die sollen ja einen siebten Sinn haben…..

So vergeht die Zeit hier wie m Flug und tritt irgendwie doch auf der Stelle. Aber sie geht auf Weihnachten zu, mal wieder werde ich bei 35 Grad mit merry christmas and a happy new year beschallt, immerhin gibt es hier keine Schokoladenweihnachtsmaenner, und fuer pinke Barby Puppen fehlt den meisten das Geld, aber es wurde fleissig das gesamte Jahr gespart, um den Weihnachtseinkauf fuer die gesamte Familie einzukaufen. Die Schlangen im einzigen Supermarkt sind lang, gekauft werde Basics wie Reis, Zucker und Waschmittel. Die unzaehligen Hinterhofkirchen und die grossen Kirchen durchschallen Tag und Nacht die huegeligen Siedlungen. Passion ist hier Kirche. Und Bier. Nein, nicht zusammen, aber beides mit Leidenschaft und Hingabe. Und beides taeglich. Kuerzlich war ich mit Fikile in eine dieser Hinterhofkirchen. The Ministry of Power is United. Erstaunlicherweise wurde die gesamte Messe von Frauen gehalten, mit einer aeusserst imposanten Bischoefin, gross, stimmgewaltig, mit gen Himmel gerollten Augen konnte man ihr fast glauben, dass sie in der Lage ist, den Himmel zu beeinflussen und Job-Bewerbungen auf jeden Fall gelingen zu lassen, zumindest wurde sie ihr entgegengestreckten Bewerbungsunterlagen fast flehentlich darum gebeten. Waehrend der Apartheid wurde die Shangaan Kultur sehr segregiert in westliche und ihre eigene Kultur. Das hat sie innerlich so zerrissen, dass die Kirche die Luecke mit ihren Predigten zu fuellen weiss, oder zu manipulieren. Das ist nicht neu. Aber es ist interessant, wie sehr eine neue Generation schwankt zwischen „Tradition und Moderne“, dem Glauben an Gott, an die Ahnen und den Glauben an Automarken, Pop-Stars und Handies. Bei einem Konzert von „General Muska’ (eine lokale Shangaan-Pop Groesse) kuerzlich hatte ich bis auf die Hautfarbe und den Tanzstil nicht das Gefuehl von allzugrossen Unterschieden zu einem DJ Bobo Konzert (nicht, das ich da jemals gewesen waere: )). Dann aber, raus aus der Stadt, rein in die kleinen Haeuser der laendlichen Bevoelkerung, sehe ich alte Strukturen, besonders Geschlechtsunterschiede in der Arbeitsteilung, mit den ueblichen neu dazugehoerenden Statussymbolen, Auto, Fernseher und Coca-Cola. Die Jungen wollen in Joburg IT studieren, wahrend sich die alten den Kopf zerbrechen, wie sie das Feld bestellen sollen oder woher sie noch die traditionelle Medizin kriegen sollen, die sie fuer ihre Patienten brauchen, es gibt wenig Busch im dicht besiedelten Land, und der Zugang zu den Game Reserves ist per Stacheldraht und Kontrolle verboten. Frueher, meinte Roberts Vater, 1946, als er hier angekommen ist, waren noch ueberall Hyaenen, Loewen und andere wilde Tiere. Erfinderisch wie „Afrika aber eben ist“, entwickeln sich permanent neue Entrepreuneurs Ideen, von Heil- und Eco-Tourism ueber Ziegenfarming fuer die hier ansaessigen Pakistanis, die vorranging Geschaeftsbesitzer sind und scheinen besonders gerne Ziegenfleich zu essen bis hin zu Schulen, die „Tradition lehren sollen“.

Es faellt mir auf, wie sehr sich diese Gegend in Transition befindet. Nicht nur „der Westen“ sorgt fuer staendige Veraenderung, auch die Kirche, die eignen Kultur und eine Jugend, die grundsaetzlich andere Ideen von Leben entwickelt. Keiner von denen, mit denen ich geredet habe, hat die Ambition traditioneller Heiler zu werden. Ob das das Aussterben von Tradition bedeutet, oder ob sich Tradition schlichtweg auch in steandiger Bewegung befindet, haengt davon ab, wie die Menschen mit dem Wandel umgehen. Hier, so scheint mir, sind sie jedenfalls aeusserst kreativ im Umgang mit Wandel.

Fuer mich Mulungu ist alles so nah und doch so fern. Ich mache teilnehmende Beobachtung in einem Theaterstueck. Embodiement, um mal ethnologisch zu sprechen, spuere ich dadurch, dass die Hitze mich laehmt, der kuehelnder Regen der Regenzeit mich freut, der vom Papp aufgeblaehte Magen mich aergert und mir meine Zaehne Sorgen machen, bei all den cool drinks, die uns immer aus Gastfreundlichkeit bei den Heilern serviert werden. Cola und Muthi, the tradi-modern Mix. Emodiement auch, weil ich um 21.30h tatsaechlich muede bin, um um 6h morgens wieder wach und nach den ersten zwei Wochen waschen in der Wanne fuehle ich mich seltsam klebrig. Eine Dusche ist einfach das schoenste Luxusgut.

Das ein erster Eindruck aus Thulamahashe Im Norden Suedarfrikas. Es wird wieder heiss heute. Die Mangos fallen kiloweise von den Baeumen. In Deutschland wird es kalt und kaelter, der Gluehwein fliesst und Father Christmas ist am rechten Ort. Es ist und bleibt seltsam fuer mich, dieser in roten Mantel gehuellte, weissbaertige Mann in the heat of Africa. Eine Afrikaans Bekannte mit sehr aufgeklaertem Kopf sagte gestern zu mir: „Christianity is a fuck up“. Ich war erstaunt, sind doch die Buren die staerksten Vertreter der Christlichkeit. Nun, ich stimme mit ihr ueberein, aber moechte auch niemand vor den Kopf stossen. Deshalb: Euch allen gemuetliche und schoene Weihnachten und vor allem, einen ganz schwungvollen und geglueckten Uebergang ins neue Jahr!!!!

Es weihnachtet sehr

Es weihnachtet sehr. Die 3 grossen Supermarktketten ersticken in roten  Glaskugeln und grüner Plastiktanne, die Strassen Kapstadts sind beleuchtet als hätten sie Dunkelheit zu vertreiben und an den Strassenecken gibt es Rotes Kreuz Charity-Trees zu kaufen. Echte Kiefer. Frank Sinatra singt auch hier von White Christmas und die ersten blond-blauäugigen Barbie-Puppen wurden für die feierliche Übergabe bei der alljährlichen Weihnachtsfeier in den Firmen gekauft. Nicht von einer weissen Mittelstandmutter, sondern von meiner schwarzen Sangoma-Kollegin: „For my grandchild, she likes to comb hair. She ll get it from farther Christmas at the Christmas bazar“.
Vor den Kirchen in den Townships wird Stille Nacht gesungen. Still ist es nicht wirklich, billige Radioklänge mischen sich mit Kindergeschrei und aufheulenden Motoren rostiger Autos. Am heiligen Abend wird sich noch der von Brandy-Coke und Bier produzierte Lärmpegel fröhlicher Menschen dazugesellen. Oh Du fröhliche… . Es wundert mich, dass sich seit der Landung Jan van Riebeeks 1652 nicht wenigstens die Weihnachtsliedtexte geändert haben…

Ich schaue aus dem Fenster. Blauer Himmel, angenehme 25 Grad. Sommer in Kapstadt. Das Rot und Grün in den Supermärkten wirkt seltsam verunsichert. Die quitschpinken Baby-Puppen Packungen stehen beinah einsam in ein Regal gequetscht, direkt neben dem Angebots-Waschmittel. Quitschpink und astrein ins neue Jahr.

Ein Rückblick ist an dieser Stelle angebracht. Es hatte alles so astrein angefangen. Nach langer, mühsamer Suche habe ich endlich tatsächlich eine Stelle bekommen, die mir angemessen erschien. Zufall oder Schicksal, solche Fragen stellt man sich vorher und hinterher und kann sie doch nicht beantworten. Wäre ich nicht auf einer Konferenz gewesen, bei der ich meinen jetzigen Professor an der FU Berlin kennengelernt habe, ich hätte niemals…nun, damit möchte ich nicht weiter langweilen. Statt dessen…Südafrika. Ein Jahr. Ein Jahr lang der Versuch, ein Land zu verstehen, dass selbst Einheimische nicht verstehen. Südafrika, das ist Safari, das ist der Weltcup 2010, das ist der berühmte Tafelberg in Kapstadt, auf den ich  tagtäglich starre und der mich nachdenklich macht.
Damals, 1652, haben hier am Kap noch die die San oder die KhoeSan, kurz hier oft als die Bushmen bezeichnet,  gelebt. Bis, wir kennen diese Geschichte, wir Europäer auf die Idee kamen, dass es uns ein wenig eng wird im zu der Zeit recht unwirtlichen Europa, man bedenke die choleradurchseuchten Strassen Londons und die engen Gassen Amsterdams ohne Kanalisation und Müllabfuhr. Also, schnellstens rauf auf die Schiffe, ablegen und Land gewinnen, im wahrsten Sinne des Wortes. Währenddessen haben die nichts ahnenden San ihre Ziegen und Schafe durch die offene Landschaft des Kaps getrieben, haben hier und da eine Hütte gebaut, um dann weiterzuziehen, weniger um neues Land zu erobern, denn um die Tiere zu ernähren. Wenn ich mir die Kaplandschaft anschaue, kann ich mir vorstellen, dass sie eigentlich ganz glücklich gewesen sein müssen, auch ohne das Zutun und die kulturellen Güter, die unser Reißaus vom eigenen europäischen Kontinent mit sich gebracht haben; an ersten Stelle Waffen und die ersten kleine, aber feinen „Konzentrationslager“, in denen es sich die bis dahin frei ziehenden San dann gemütlich machen durften. Ich entschuldige mich für jeden Zynismus, aber die Situation muss etwas Zynisches gehabt haben. Freie Menschen werden ihrer Freiheit beraubt und als einziges Legitimation dafür gab es den Glauben und ein sehr einnehmendes, selbstüberzeugtes europäisches Wesen. Jene Lager haben sich später in elaborierter, hochpolitischer Form zu sogenannten Apartheid transformiert,  deren Nachwehen das Land noch immer in ständigen Beben erschüttern. Diese Kennzeichen sich nicht alleine durch  die Tatsache, dass nach wie vor eine klare Finanzlinie gezogen werden kann zwischen Weiss und Schwarz. Die Auswirkungen Jan van Riebeeks & Co und der nachfolgenden 350 Jahre sind auch jenseits von Schwarz und Weiss zu bemerken. In De Dorns, einem kleinen Dorf nahe der N1, direkt hinter den Bergen von Worcester bei Kapstadt, stehen zur Zeit ca. 10 grosse, weisse Zelte, mitten im Dorf. Kein lebendiger Weihnachtsmarkt, sondern ein Refugeecamp mit Einwanderern aus Simbabwe. Erst kürzlich war De Doorns in den Nachrichten, weil es xhenophobische Ausschreitungen gegen die Simbabwer gab. Und das nicht, weil alle Südafrikaner brutale Wilde sind, sondern weil diese Simbabwer für rund 40 Rand am Tag (nicht mal 4 Euro) in den Weinreben arbeiten, wohingegen farbige und schwarze Südafrikaner 60 Rand am Tag haben wollen (bei der Weinernte handelt es sich um Saisonarbeit, also um Arbeit für 6 Monate, also um Geld für ein Jahr, denn mehr Arbeit gibt es schlichtweg nicht). Kurzum: Die Simbabwer nehmen ihnen die eh schon äusserst knappen Arbeitsplätze weg. Es geht also um wenig anderes als um nackte Existenz. Ich habe in den letzten Wochen viel Unkraut aus Heilpflanzenreihen in einem sogenannten „economic development Projekt“ in De Doorns herausgezupft. Für die „economic development“ bekommen die Arbeiter dort 800 Rand/Monat von der Regierung Südafrikas. 80 Euro für 40 Stunden/Woche Unkraut zupfen. Wären Lebensmittel billig, es wäre ja alles noch nachvollziehbar, aber mit einer Steigerung von mehr als 10% innerhalb diesen Jahres kostet ein Toastbrot inzwischen fast mehr als bei uns und Milch ist auch nicht viel billiger. Für alle die, die auf der einen Seite der Finanzlinie stehen, kein Problem. Aber für die, die 800 Rand bekommen und davon 2 und mehr Kinder ernähren müssen, nicht unproblematisch.
Nachbeben waren auch zu spüren für meinen Mitbewohner Manie, der in Kapstadt Zentrum im sog. District 6 aufgewachsen ist, das war so etwas wie das Montmatre von Paris oder Sophiatown in Johannesburg, lebendiges Künstlerleben, Musiker und multikulturelles Leben; ausgelöscht per Regierungsbescheid. Die hauptsächlich farbigen Einwohner wurden umquartiert in die Cape Flats, das Gebiet vor Kapstadt, in das während der Apartheid alle Schwarzen und Farbigen ausquartiert wurden und das noch immer Gebiet der Township ist. Zuvor haben sie in schönen Häusern gelebt, und plötzlich fanden sie sich in 3-stöckigen Mietskasernen wieder. Ein verhältnismässig kleines Beben gegen die grossen Beben der Apartheid, aber wie sehr Spiegelbild dessen, wie mit Leben umgegangen wurde.

Aber ich war bei den San stehengeblieben, als sie noch glücklich ihre Tiere durch die lieblich-rauhe Landschaft des Kaps trieben, ahnungslos ob dessen, was da auf sie zukommt und wie sehr das ihr Leben verändern würde. Es gibt Nachfolger dieser San. Sie heissen heute Nama oder Khoe-Khoen, leben grösstenteils in Namibia oder Botswana (weil dahin vertrieben) und kämpfen dort und hier dafür, dass sie entweder ihr Land zurück bekommen, das ihnen vormals so rabiat entwendet wurde oder dass sie eine gerechte Abfindung bekommen für ihr Wissen, was sie bereitwillig hergegeben haben, z.B. um pharmazeutische Produkte herstellen zu können, zum Nutzen der (westlichen) Welt und zum Nachteil für sie, denn sie haben bislang NIE etwas gesehen, für all das, was sie gegeben haben. So könnte z.B. mein Mitbewohner Tamen, ein Nama aus Namibia, direkter Nachfolger der Khoe-San, den Grund und Boden des Hauses meiner weissen Vermieterin rechtmässig als seines erklären, so seine Landklage erfolgreich wäre. Wir Europäer haben damals keinen einzigen San gefragt, ob wir das dürfen, was wir da machen, weil wir wollten ja „die Wilden“ im Namen Gottes bekehren. Landeinnahme war dabei selbstverständlicher Teil des Bekehrungsprogramms. Tamen, mein Mitbewohner, muss heute eine NGO gründen und sich rechtlich absichern, bei jeden Schritt den er tut, um ein Land zurückzuerobern, dass ehemals seinen Vorvätern und -Müttern gehört hat. Meine Frage, was er denn mit dem Land rund um und in Kapstadt täte, so er es bekäme, konnte er allerdings (noch) nicht beantworten. Vielleicht geht es auch nur um symbolische Wiedergutmachung, um Zeichensetzung für ein Unrecht, dass sich tief eingegraben haben muss in das kulturelle Gedächtnis. Tamen zumindest leidet, ein Leiden, dass für mich als Europäerin nur schwer nachvollziehbar ist. Es gibt wenig, woran ich historisch zu leiden hätte…oder? Oder muss ich es anders formulieren? Ich sehe wenig Grund   unser „kulturelles Leiden“ anderen anzulasten. Nun, ich wundere mich….

Die San wurden aber nicht nur von uns Europäern vom eigenen Land vertrieben. Natürlich gab es auch innerhalb des Landes Bewegungen und Gebietsansprüche von verschiedensten Bevölkerungsgruppen. So ist Südafrika innerhalb der letzten 10.000 Jahre vielleicht zu einem der multikulturellsten Ländern der Welt geworden. Die San und die Europäer, die Inder, die als Arbeitskräfte ins Land geholt worden, die Malaii und Indonesier, die aus den holländischen Kolonien ans Kap geschifft wurden, zusammen mit den Bantustämmen, die sich langsam an der Küste und ins Landesinnere vorgearbeitet haben, die Sothos, die Zulu, die Xhosa, die Venda und die Himba, die Bemba und die Muslims nicht zu vergessen, die wohl größtenteils mit den Indern hierher gekommen sind. Und so sieht Kapstadt heute aus: neben den weissen, reichen Vierteln leben gerade mal 2 km weiter die Muslims mit ihren Hajids (Moscheen) und die Coloureds am Bo-Kap mit ihrer Kultur, die weder schwarz noch weiss ist und vielleicht deshalb besonders bedroht ist durch Identitätskrise und Drogenkonsum, und dann eben in den Townships die Schwarzen mit einer ganz eigenen, interessanten Mischung, die sowohl „Stille Nacht“  und „praise the Lord“ als auch rituellen „Trancedance“  und den vehementen Glauben an Hexerei integriert…

…apropos Trancedance und Hexerei…es ist ja nicht so, dass ich nur hier gesessen und mir die Geschichte Südafrikas verinnerlicht hätte… ich habe auch erlebt. Viel erlebt, Gutes wie weniger Gutes…an Zeremonien habe ich teilgenommen. Mit Tanz  und Huhn. Der Tanz, um Kontakt mit den Ahnen herzustellen, das Huhn, um die Ahnen zufrieden zu stellen, genauso wie der Brandy und der Gin und… ich habe es bislang nicht verstanden, das Zeremonielle, wahrscheinlich weil ich viel zu verkopft und rational  über diese Dinge nachdenke. Wir haben keine Zeremonien und Rituale in dem Sinne mehr. Wir haben andere, weniger konkreter oder weniger als zeremoniell deklarierte Zeremonien. Wie sehr lieben „wir“ (ich weiss, die Hälfte der Menschen die ich kenne, liebt es so gar nicht ;-)) es doch wenigstens einmal im Jahr über den Weihnachtsmarkt zu gehen, auch wenn wir ihn allzu abscheulich kommerziell finden….ABER, er bietet Dinge an, die irgendwann mal Teil unserer Kultur waren und die dort, auf dem Markt, in allzu teurer Form, eine Art Wiederbelebung versuchen. Sehnen wir uns nicht alle ein wenig nach…Ritualen…selbst die hartgesottenste  Rationalisten unter uns???? Ich frage mich und versuche, als eher hartgesottener Rationalistin, die Zeremonien des schwarzen Teils der südafrikanischen Bevölkerung zu verstehen, denn sie haben etwas Anziehendes und Abstossendes zugleich. Das gilt nicht nur fü die Zeremonien, sondern für die gesamte Denkweise….ich selber hatte einiges Pech in der Zeit hier, Unfälle, Diebstähle… Mir wurde Muthi (meist Pflanzen- und/oder Tierteilemischung) verschrieben von denen, die für Zeremonielles und Rituelles zuständig sind, den traditionellen Heilern. Muthi, um es als Tee zu trinken, um mich damit innerlich wie äusserlich zu reinigen, um es als Kette um den Hals zu tragen, um mein Auto von innen damit einzusprenkeln. Muthi, um mich vor Hexerei und dem Tokoleshe zu schützen. Der Tokoleshe ist ein kleiner Wicht, der geleitet durch die bösen Energie einer anderen Person sehr viel Schaden und Unheil anrichten kann. Er wird zu genau diesem Zweck gesendet, meistens Nachts. Er ist ein Teil des Glaubens an Hexerei. Gegen ihn habe ich Salze, Fette, Kräuter und eine Halskette bekommen. Ich habe es ausprobiert, habe die Kräuter artig getrunken, habe mich mit einer rotefettigen Flüssigkeit gereinigt und trage die wirklich schöne Halskette. Und seither ist nichts weiter passiert, nach einer Reihe von unangenehmen Dingen, die meine Energie und Konzentration völlig eingenommen haben.
Ich versuche, die Idee von Witchcraft zu verstehen, ohne mich wissenschaftlich darin zu vertiefen. Und das einzige, was ich denken kann ist, dass Witchcraft sozusagen eine ausformulierte und gelebete Variante der 8 Todsünden ist, unter anderem von Eifersucht und Neid. Die Energie dieser „no-go-attitudes“ kann auch bei uns verheerende Folge haben. Wir nennen es Mobbing, Stalking, oder auch Mord aus Eifersucht. In einem viel dichteren Netz aus sozialer Interaktion zwischen Personen, wie das im Kontext afrikanischer Dörfer und Familien gegeben ist, sind diese Gefühle beinah potenziert. Eifersucht kommt auf, wenn der Nachbar mehr Kühe hat, ein rostiges Autowrack vor der Haustür oder gar das Glück, von einem Entwicklungsprojekt ein Bewässerungssystem für die Plantage bekommen zu haben. Die Augen sind überall. Eine Sangoma-Frau in einem Township ausserhalb Kapstadts gestand: ich erzähle überhaupt nichts mehr, sie sind alle neidisch und das st gefährlich.
Es ist wirklich gefährlich, wenn man den Geschichten glauben schenken möchte, in denen Menschen vergiftet werden oder langsam an einer unerklärlichen Krankheit sterben. Und doch frage ich mich, ist Suggestion und das Verschicken von Energie tatsächlich so stark, dass es anderen Menschen echten Schaden zufügen kann?
Ganz ohne Waffen oder Gewalt anzuwenden? Ein beängstigender Gedanke. Und ist die Idee, dass alleine durch die Kraft negativer Gedanken und Wünsche Unheil angerichtet werden kann, bei uns abhanden gekommen? Würden wir ein schlechtes Jahr oder eine Pechsträhne jemals durch die Kraft einer anderen Person  erklären? Ich mag diese Denkspiele und nehme weiter „meine Medizin“ solange ich auf afrikanischem Boden unterwegs bin, schaden kann es ja hoffentlich nicht.

Und wer mich jetzt wieder fragt, was ich denn überhaupt hier arbeite, dem oder der kann ich nur antworten: das alles ist irgendwie Teil der Arbeit. Ich untersuche die Diskrepanzen zwischen dem, was aus Heipflanzen in Laboratorien gemacht wird und dem, was mit Heilpflanzen in der afrikanischen Realität gemacht wird. Letzteres habe ich erzählt, und damit habe ich nur einen kleinen und vielleicht den exotischsten Teil dessen erzählt, was für mein westliches Auge sichtbar ist. Wenn ich nach einem Glas Wein zuviel eine Milk Thistle Tablette nehme, um meine Leber zu entlasten oder wenn ich nach all dem, was mir passiert ist, eine Scilitium Pille schluckte, als Stimmungsaufheller, dann frage ich mich, als was Milk Thistle wohl im lokalen Kontext benutzt wurde (und die Antwort ist schon klar: es ist keine Pflanze aus Afrika, sondern aus Lateinamerika, und dort wurde sie eventuell zu einem ganz anderen Zweck benutz las sie hier benutzt wird: als Katerverninderungsmittel). Nun und Scilitium wiederum…ist zum Heilpflanzenmarktführer in Sachen Antidepressiva geworden und hat vornehmlich einen Mann und eine Firma reich gemacht, beide, quod errat expectatum: weiss.
Vielleicht haben schon die San an Depressionen gelitten, wen würde es wundern. Spätestens nach Einwanderung der Europäer müsste Scelitium zum Verkaufsschlager geworden sein, aber Tatsache ist, dass natürlich kein San oder wer auch immer Urhebern der Idee ist, dass Scilitium gut gegen Depressionen sein könnte, jemals irgendetwas für die clevere Idee bekommen hätte. Wenn man bedenkt, dass  bei uns ein Copyright an einer bestimmten Currywurst reiche machen kann….
Nun damit beschäftige ich mich, seit ich hier bin und wie stets ist das ein Thema zum graue Harre kriegen. Denn das Resultat ist, wie könnte es anders sein in unserer kapitalistischen Welt: Money, Money, Money…wenn der Rubel nicht rollt, rollt auch sonst nichts. In dem Labor, in dem ich „Feldforschung“ betreibe, wird fieberhaft nach DER chemischen Verbindung gesucht, die…die Welt retten könnte gegen Krebs, Aids, Malaria oder Diabetes (ein immer grösseres Problem auch in Afrika, weil Zucker Hauptbestandteil der Nahrung geworden ist)…also nach der Verbindung, die das meiste Geld und den meisten Ruhm einbringen kann. Schon längst orientiert sich das Labor weg von HIV/Aids, hin zu chronischen Krankheiten, Krankheiten, gegen die selbst der hochtechnisierte Westen noch kein Mittel gefunden hat. Würde es tatsächlich gelingen, ein natürliches Mittel gegen Krebs zu finden- es gibt z.B. die Rinde eines afrikanischen Baums, die einen Wirkstoff enthält, der Krebszellen die Energiezufuhr abschneidet- dann wäre aber damit noch lange nicht „Afrika“ geholfen. Das Patent dieses Mittel ginge an die forschende Institution oder in den meisten Fällen, an einen grossen Pharmakonzern. Es müssen Wege gefunden werden, die diese „Unausgewogenheit“ unterbinden, z.B. durch ein  Gewinnausgleichsystem. Das wirft Fragen auf: Wer? Wieviel? Was? Wofür? Wann?
Und mit all diesen Fragen beschäftige ich mich bis mir der Kopf raucht. Für Südafrika gibt es bislang noch keine Lösung, weil es weder belegbare Beweise für Wissen gibt (Afrika hat kaum eine schriftliche Kultur aufzuweisen. Alles wurde mündlich weitergegeben; in einer papierwütigen nach Beweisen schreienden Welt kein leichter Stand) noch klar ist, wer am Ende Urheber dieses Wissens ist in einem so komplexen, multikulturellen Land.

Ich glaube, nach einem Jahr mit diesem Thema, dass die Natur beinah alles zu bieten hat, was wir Menschen bräuchten. Alleine Südafrika ist eine unentdeckte Schatzkiste in Sachen medizinische Pflanzen und nutzbringende chemische Verbindungen. Ich glaube auch, das Afrika wesentlich klüger ist, als wir es alle je vermuten würden. Viel der Heilungsmethoden basieren auf simplen jahrhundertealten Beobachtungen der menschlichen Psyche, des menschlichen Körpers und der zwischenmenschlichen Interaktion. Für uns fremd und exotisch und bisweilen etwas „wild erscheinend“, habe ich mehr und mehr das Gefühl, als hätten „sie“ „uns“ viel besser verstanden, als wir mit all unserer wissenschaftlichen Durchdachtheit. Aber ist Intuition Wissen? Ist das über Jahrhunderte gesammelte Wissen über den Menschen, verankert in einem nicht verschriftlichen, kulturellen Gedächtnis relevant, wenn es um das Verständnis des Menschens geht?  Und ist die Grunderkrankung unserer Gesellschaft nicht schlechtweg die, dass wir unser kulturelles Gedächtnis der Rationalität überlassen haben? Ich habe Patienten bei einem Heiler gesehen, über eine Woche haben die Patienten bei diesem Heiler gewohnt, haben an der Herstellung ihrer Medizin teilgenommen, haben diskutiert und interagiert und teilgenommen am täglichen Leben des Heilers. Der eine der beiden Patienten sah aus am Ende der Woche aus als hätte er es geschafft, als würde er genesen. Der andere, so vermute ich, hatte HIV/Aids. Ihm kann selbst die Interaktion mit einem Heiler nicht helfen, ihm können in der Tat nur noch westliche Medikamente helfen, die sogenannten Antiretrovirals (ARVs).
Was bleibt da anders zu sagen, als dass wir voneinander lernen können und zusammenarbeiten müssen. Nicht unbedingt die innovativste Weihnachtsbotschaft. Aber…Macht und Geld sind doch auch kleine oder besser grosse Hexereien, die viel Schaden zufügen können…ungeahnte negative Energien, die beinah alles auf dieser Erde leiten. Also, warum nicht in Afrika schauen, wie  es funktioniert und wie dagegen handeln. Ein bisschen Muthi für die Welt wäre doch ne schicke Sache. Seufz, wenn es doch so einfach wäre….
Nun, Afrika ist mehr als nur ein von Krankheit und Krieg durchzogener Kontinent. Von Asien wissen wir das ja schon, aber langsam wird es Zeit für Afrika, auch wenn Afrika im Grunde sich selber genug ist. Afrika hat sich in den letzten Jahrhunderten nur an der Oberfläche kolonialisieren lassen und so wird es sich auch in Zukunft nicht kolonialisieren lassen. Es macht ein paar Turnübungen, um Willen durchscheinen zu lassen, aber ganz tief unten, in the heart of Darkness (im Sinne von schwarzer oder dunkler Haut, nicht im Sinne Joseph Conrads) macht Afrika was es will, seit Jahrhunderten. Dabei macht es sehr kluge genauso wie sehr unverständliche Dinge. Ich denke, besonders für die klugen Dinge sollte „Afrika“ nach Jahrhunderten der Ausbeutung, endlich den ausstehenden Ausgleich und Respekt erhalten. Die Idee, dass mein Mitbewohner das Haus meiner Vermieterin besetzt und als seine deklariert, wäre im Grunde eine logische Konsequenz. Schliesslich besitzt sie das Land seiner Ahnen. So funktioniert es jedoch  leider oder zum Glück heute nicht mehr.

Soweit erstmal. Ich gestehe, mich zieht Afrika magisch an. Es hat Anziehendes und Abstossendes zugleich und besonders das Abstossende fasziniert mich. Sonst würde ich wahrscheinlich nicht immer wieder kommen, obwohl dieser Kontinent mir schon persönlichen Schaden zugefügt hat. Wie meinte ein Amerikaner kürzlich, der Grund für sein Leben in Afrika sei: Addicted to chaos.

Das muss es sein. Ich bin süchtig nach Chaos und dem Spirit of Africa.

In diesem Sinne….

Euch allen eine geistreiche, schöne, friedliche Weihnachtzeit!!!
Und einen guten Übergang ins Jahr 2010.
Aus der Mothertown of Africa alles Gute und auf bald dann wieder im Land der Qualität, der Effizient und des Wunsches nach Ordnung (hier ständig gehörte Stereotypes über Deutschland), was nach so viel feurigem Spirit etwas sehr Beruhigendes haben kann!

In Spirit

Der enge Raum wirkt noch enger durch den aufsteigenden Rauch Imphepos, das würzig riechende Kraut, das für die Kommunikation mit den Ahnen verbrannt wird. Rauchschwaden ziehen über die kleine Holzbank hinweg, auf die ich mich setzen durfte. Der würzig-intensive Rauch treibt mir Tränen in die Augen, verschwommen sehe ich, dass nicht nur ich, sondern auch die beiden Hühner im Raum angekommen sind. Sie kauern halb phlegmatisch, halb voller nervöser Aufregung in der einzig scheinbar unsichtbaren Ecke im Raum, direkt unter der Plastiktischdecke, die die Koffer auf dem kleinen Regal verschwinden lassen sollen. Hier, in diesen 10qm, ist Leben präzise geplant. Ich sehe den Brandy neben einem KImphepho & Brandy, unzertrennlicherzenständer stehen, und ich sehe eine rote Plastikschüssel. Der Wasserkocher rauscht im Hintergrund.

In Lwandle

Reihenhaussiedlung in LwandleDrei HeilerinnenDen Brandy in der Tasche mache ich mich auf zum nächsten Treffen mit den Damen in Lwandle. Es ist ein regnerischer Wintertag. Beinahe unangenehm, obwohl es selten richtig kalt wird in den Niederungen des Kaps. Heute aber ist Schnee zu sehen auf den Bergen im Hintergrund.

Beauty wartet schon auf mich. Kurz werde ich im Gemeindehaus herumgeführt, man grüsst mich halb beteiligt, halb neugierig. Obwohl beim letzten Treffen von 12 Heilern und Heilerinnen die Rede war, treffe ich heute nur die 4 an, die auch beim letzten Mal zugegen waren. Die 4 Wichtigen, wie Beauty sie nennt. Schnell wird mir klar, dass es heute nicht zu den abgesprochenen Englischstunden kommen wird (wozu wäre auch beim Englisch Unterricht ein Huhn und eine Flasche Brandy notwendig?) , auch nicht zu den Interviews, wegen der ich eigentlich nach Lwandle gekommen war. Bevor Interview-Worte gesprochen werden können, muss erst der formale Verhandlungsweg eingeschlagen werden. Obwohl ich den „formellen afrikanischen“ Verhandlungsweg nicht genau kenne, ahne ich, dass es ein langer Weg sein wird.

Statt der 12 Heiler und Heilerinnen erwarten mich die 4, die schon beim ersten Treffen in Genusss eines Woolworth-Brathuhns gekommen sind. Da ich nun offenbar nicht zur Englisch-Lehrerin werde, warte ich gespannt auf den Fortgang des Treffens, voller Hingabe, für Afrika, für die Forschung und für das Huhn, vom dem ich noch immer nicht weiss, wann es in mein Leben treten  und welche Rolle es dort spielen wird. Beauty, in ihrem organisatorischen Element, klärt mich recht schnell auf über den Fortgang des Tages. „You know, we have to organize the day“. Ich nicke ergeben, kommt doch so ein planerisches Element meinem deutschen Wesen sehr entgegen. „We need  to dance a bit“. Wie jetzt, tanzen? Hier, in der Gemeindebücherei? Als könnte sie meine Fragen im Kopf lesen, folgt die prompte Antwort. „We first must go and buy the chicken. Do you have the Brandy? Tanzen, Huhn, Brandy??? Ich nicke erneut, zeige stolz meine KWV Brandy Flasche und spüre intuitiv, dass mit diesem Brandy irgendwas nicht stimmt. Der misbilligende Blick Beautys war kurz, aber intensiv. „Next time you bring Old Buck Brandy“. Hatte ich nicht schon am Brandy-Regal das Gefühl realer Verunsicherung? Old Buck, Klipdrift, KWV, Black Horse…in einem Land, in dem Brandy wie Vodka in Russland getrunken wird, kann man bei der Auswagl des richtigen schon ins Straucheln kommen.

Innerlich seufzend folge ich den weiteren Anweisungen Beautys. Zunächst steigen alle 5 nicht ganz schmalen Heilerinnen samt mir in meinem kleinen Citi Golf. 4 der Damen lade ich in einer Art Reihenhaussiedlung ab. Die 5. deligiert mich weiter durch die Strassen Lwandles, wo wir ein paar Blocks und Hütten weiter einen alten weissen Lieferwagen einholen. Auf diesem klapprigen Gefährt sitzen hunderte weissgefiederter, zerrupfter, halbkahler Hühner in engen Käfigen. Die Verhandlungen um das Huhn laufen zielsicher und professionell ab. Mit geschultem Blick sucht die mich begleitende Heilerin 2 (wieso plötzlich 2?) der am wenigsten zerrupft wirkenden Hühner aus. An den Beinen aus der Hühner-Box gezogen landen sie schnurstracks in meinem Kofferraum. 2 Hühner für nicht mal 7 Euro. Bestückt mit den beiden befreiten Opfern fahren die Heilerin und ich zurück in die Reihenhaussiedlung.

Dort angekommen merke ich, dass sich die Art des Wohnens nicht wesentlich von den gerade hinter uns gelassenen Hühnerboxen unterscheidet. Die Reihenhaussieldung besteht aus einer Aneinanderreihung  von ca. 10 qm kleinen Räume, in denen sich alles befindet, was zum Leben benötigt wird.  Ein Bett, ein Sessel für Gäste, ein Mikrowellenherd samt zwei Herdplatten, ein Wasserkocher, eine Hifi-Anlage und Waschutensilien auf dem Fensterbrett. Wo gnau sich die Toiletten befinden, habe ich nicht herausfinden können. Fest steht nur, dass in diesen Räumen ganze Familien leben.

Jetzt und hier dient der kleine Raum als Treffpunkt für die 5 Heilerinnen und mich. Schon bald bekomme ich die Bedeutung eines Treffens mit Heilerinnen zu spüren…..(Ff)

Von Heilern, Brandy und einem Huhn

Südafrika, bekannt für Safaris mit den big 5,  lange Surferstrände, das Kap der Guten Hoffnung mit seinen Weinen und bald, so sei zu hoffen, für eine gelungene  Austragung der Fussballweltmeisterschaften 2010, dieses Südafrika hat jenseits von den ewig enthusiastischen Erklärungen des Lonely Plantes Geschichten und Gesichter zu bieten, die wenig mit bekannt-erwünschten Reisebildern zutun haben.

Ein eher rationales Forschungsprojekt der FU Berlin hat mich als Ethnologin nach Kapstadt geschickt, um die intellektuelle Eigentumsrechte an Heilpflanzen und der daraus gewonnen Medizin zu erforschen.  Bei Vertragsunterzeichnung erschienen mir natürlich sofort Bilder des Film  „Der ewigen Gärtner“ vor meinen inneren Auge. Wo grosse Pharmakonzerne im Spiel sind, da ist wenig Humor zu erwarten. Diese Befürchtung hat sich nach einem halben Jahr Forschung bereits weitesgehend bestätigt und doch gibt es diesem sich als spannender als erwartet herauskristalisierenden Forschungsfeld äusserst humorvolle Momente, besonders wenn man das politisch-juristische oder rein wissenschaftliche Feld verlässt und sich in die Welt derer begibt, die um ihre Rechte kämfen, die sogenannten indigenous communities und deren traditionelle Heiler.

Erst kürzlich habe ich eine solche Community am Rande Kapstadts besucht. Ein Township mit dem Namen Lwandle, nicht weit entfernt vom  langen Strand der False Bay, die sich angenehm in das Kap der guten Hoffnung und den Bergzug des Hangclips einschmiegt. Eine schöne Gegend. Immer der N2 von Kapstadt nach Sommerset West folgend biegt man kurz vor den Aufstieg zum Sir Lowry Pass ab. Gerdeaus geht es in Richtung Garden Route. Lwandle aber hat wenig mit dieser weissen afrikaans und englisch sprechenden Welt weitläufiger, weissstrahelnder Häuser zu tun. Lwandle ist ein Township, wie er am Rande beinah jeder Stadt zu finden ist.  Townships werden im Lonely Plante als buchbare Touristenattraktion beschrieben, für rund 50 Euro pro Tour ist es zu besichtigen, das Leben der anderen in Südafrika. Obwohl das Ende der Apartheid seit nun gut 15 Jahren ausgerufen wurde, ist der faktische Unterschied zwischen Schwarz, Weiss und Coulored (das sind alle Südafrikaner, die weder rein weiss, noch rein schwarz sind) weiterhin eklatant. Lwandle beginnt am Kreisverkehr kurz rechts nahe der N2. Wie so viele Townships beginnt es mit den ersten streunenden Hunden, bewohneten Wellblechhütten,  mit  deckenumwickelten Frauen, mit einem Minitaxistand und hier sogar mit einer kleinen Polizeistation. Und doch,  Lwandle ist ein besseres Township. Ein Schild weisst auf ein Museum hin und das  Gemeindehaus hat eine eigene, gut ausgestattete Bücherei.

Ich werde dort von Beauty erwartet. Beauty ist eine traditionelle Heilerin. Und Beatuy weiss was sie will. Sie spricht Englisch, hat sich selber Afrikaans beigebracht und Beauty organisiert.  Sie organisiertdie Gemeinde, sie organisiert  mich, sie organisert die anderen Heilerinnen, die für ein Treffen zusammengekommen sind. Sie organisert beinah einen Ausflug nach Deutschland, mit mir, durch mich.  Durchorganisiert wie sie ist, schafft sie es auch, in diesem Treffen soviel zu sagen sagen wie gewollt und soviel nicht zu sagen, wie nötig. Es scheint nötig, nicht viel zu sagen, denn alles was gesagt werden kann, muss ernsthaft bezahlt werden, in Lwandle. Das nächste Treffen mit Beauty und den Heilerinnen kostet mich eine Flasche Brandy und ein lebendiges Huhn.  Naiv, wie ich als wohl erzogenen Deutsche bin, bereite ich gewissenhaft das nächste Treffen vor. Ich kaufe Brandy, weiss aber nicht so recht, wo ich ein lebendiges Huhn her kriegen soll, bei Woolworth (in Südafrka eine Mittelklasse Feinkostkette, die dreifachverpacktes organic food verkauft, schick gemacht für die representable Küche. Mit dem deutschen“ Schrammel-Wolwort“ hat das wenig zu tun) gibt es nur gegrilltes Fertighuhn, ebenso bei Pick n Pay, Checkers und Shoprite. Nun gut, ich fahre ohne lebendiges Huhn und meiner Flasche Brandy los zum nächsten Heilerinnen-Treffen in Lwandle. …(Fortsetzung folgt)